Die Umfrage ist Anonym

Published by Tobias Hofmann on

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Jeder ist schon einmal auf ein stolzes Unternehmen gestoßen, das eine Topplatzierung in einem Ranking feiert. Oft werden diese Rankings durch Umfragen ermittelt, und keine Nische ist noch so klein, um nicht doch abgedeckt zu sein: Das beste Unternehmen als Arbeitgeber, für Studenten, für Teilzeit, um im Ausland zu arbeiten, um wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen oder auszusteigen, für die Rente, für die Umwelt, Mitmenschen, Tiere, für die unter 20, unter 30, über 60, oder einfach für Leute die gerade 40 wurden, sich aber noch als 30er fühlen. Ein Markt, ein Ranking, eine Umfrage. Wer sich fragt wie die Umfragen zu ihren Ergebnissen kommen: die Unternehmen werden durchaus gefragt. Also, ob sie eine Liste von Angestellten haben, die befragt werden dürfen. Aus so einer Liste werden dann per Zufall die Personen ausgewählt. Man sieht, es ist keine reine Zufallsauswahl der Teilnehmer.

Best place to whatever

Es war einmal … als Berater in einem internationalen Beraterhaus, das sich jährlich für eines dieser Bester-Arbeitsplatz-Preise bewarb, wurde ich dieser Liste hinzugefügt. Gefragt wurde ich dabei nicht. Ich bekam eine E-Mail in der mehr oder weniger drinstand das ich ausgewählt wurde, demnächst würde ich den Link für die Umfrage erhalten, ein paar Personen würde man eventuell auch anrufen, und bitte ehrlich und positiv das Unternehmen bewerten. Ich fragte (tja, das Männchen auf der linken Schulter hatte keine Chance) nach wie ich zu dieser Ehre kam. Die Antwort war eigentlich was ich insgeheim erwartet hatte. Nun, meine letzten Leistungsbewertungen waren super gewesen, damit auch mein Bonus super. Schlussfolgerung: ich müsste ja glücklich sein. Und die Grundannahme war hier nicht ein ehrliches Stimmungsbild über das gesamte Unternehmen zu erfassen, sondern das Ranking möglichst weit oben zu erobern. Auf Grund dieser Annahme landete mein Name in dem großen Topf der Freiwilligen und rein zufällig ausgewählten Mitarbeiter, die vom Umfrageinstitut befragt werden durften. Meine Annahme war das aber sehr viele Mitarbeiter ausgewählt wurden. Nun, nein. Es waren mehr als eine Hand voll, aber weit weniger als erwartet. Als Zusatznutzen wurden die Umfrageergebnisse auch mit erweiterten Daten geteilt. Ich sag mal so: so richtig anonym war das nur noch im Namen.

Ich kannte ein paar weitere Top Performer, und ja, die meisten hatten ebenfalls die E-Mail bekommen. Wer sie alles nicht bekommen hat, das sollte man sich an dieser Stelle schon denken können. Die Ergebnis war wie erwartet: Super Bewertung, man war ganz oben gelandet, HR hatte viel zu feiern, vor allem der HR Vorstand, denn der Bonus hängt auch an so Ergebnissen.

Bewerte deinen Manager, Unternehmen, Strategie

Nicht nur externe Umfragen haben ein Gschmäckle. Ein paar Jahre später war ich bei einem anderen Unternehmen, diesmal ging es um die interne Team Umfrage und die Bewertung des Managements. Auch hier: alles anonym. Beim Teammeeting kam dann heraus das der Manager die Ergebnisse auf die Länder herunterbrechen kann. Nun, wer sich fragt: na und? Es war ein kleines Team, 8 – 10 Leute, verteilt auf 5 Länder. Das Ergebnis der Umfrage könnt ihr euch denken. Erschreckend ist nur, dass das Unternehmen diese Umfrageergebnisse verwendete und damit Entscheidungen begründete. Monate später traf ich in einer Bar einen anderen Manager und erfuhr von ihm: ja, Länder stimmt, aber auch die Stadt wird angezeigt. Der Name nicht, aber in meinem Falle war ich nicht das einzige Teammitglied im Land, aber in der Stadt. Anonyme Umfrage? Vielleicht auf dem Papier, aber nicht in der Realität. Das so manche Entscheidung, die das Management und Mitarbeiterführung betreffen dann nicht so ganz den Zeitgeist und die Gefühlslage getroffen haben, geschenkt. Das man dann aber immer wieder solche Umfragen nutzte um die ja doch bestehenden Probleme zu lösen und dann wieder die falschen Schlüsse zog und nichts daraus lernte, tja, keine Ahnung wie es dazu kommen konnte.

Lessons learned

Anonym ist nicht unbedingt anonym. Wer bei so einer anonymen Umfrage die eigene Meinung preis gibt und sich dann wundert warum bestimmte Leute sich auf einmal anders verhalten, oder man sogar mit ungeahnten Konsequenzen konfrontiert ist: anonym ist halt nicht immer anonym. Nur weil der Name nicht erfasst wird müssen auch weitere Bedingungen gelten damit eine Umfrage anonym ist. Vor allem bei kleinen Teams: es ist nicht anonym. Und hier kann auch die Themen direkt ansprechen durchaus helfen, sollte sogar der bevorzugte Weg sein. Wenn nicht: da hilft auch keine anonyme Umfrage mehr. Viele dieser Umfragen erfüllen auch einen bestimmten Zweck, die Wahrheit ist dieser Zweck jedoch seltener als man denkt. Wenn man nicht weiß wie die Umfrage zustande kam, wie die Teilnehmer ausgewählt wurden oder ob nicht bestimmte (Bonus-)Ziele die treibende Kraft sind ist etwas kritisches Denken durchaus angebracht. Generell: füllt immer nur das notwendige aus und immer die maximale Punktzahl. Ein Unternehmen, das denkt über solche Umfragen die ehrliche Meinung zu erfahren um dann auf diesen Ergebnissen aufbauend tiefgreifende Entscheidungen zu treffen hat es auch verdient sich später zu wundern warum der tolle Plan nicht geklappt hat.

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Categories: Technology

Tobias Hofmann

Doing stuff with SAP since 1998. Open, web, UX, cloud. I am not a Basis guy, but very knowledgeable about Basis stuff, as it's the foundation of everything I do (DevOps). Performance is king, and unit tests is something I actually do. Developing HTML5 apps when HTML5 wasn't around. HCP/SCP user since 2012, NetWeaver since 2002, ABAP since 1998.

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